Digitalisierung ist bei allen Parteien ein großes Thema. Spiegelt der Außenauftritt auch dieses Thema wieder?
Nutzerfreundlich, intuitiv, erlebbar und emotional? Wie gut sind die Websites der großen Parteien wirklich, wie werden Inhalte präsentiert und Nutzer angesprochen? Wurden auch die Jungwähler und der damit resultierende Fokus auf das Smartphone bedacht? Wir schauen uns das einmal im Detail an.
Bevor wir Dinge bewerten, müssen wir erst einmal definieren, was uns wichtig ist und was wir erwarten. Klar ist, dass das Wahlprogramm und die daraus resultierenden Themen intuitiv, transparent, nutzerfreundlich und einfach aufbereitet sein sollten. Für alle Endgeräte. Da für viele Wähler die Entscheidung für eine Partei gleichzeitig auch eine Entscheidung für einen Kandidaten ist, wäre eine informative aber gleichzeitig auch emotionale Vorstellung eben dieser Spitzenkanditatinnen und -kandidaten und ihres oder seines Expertenteams sinnvoll und wünschenswert.
Da neben Inhalten auch das visuelle Erscheinungsbild überzeugen muss (insbesondere auch für jüngere Generationen), werfen wir noch einen gesonderten Blick auf ein zeitgemäßes und ansprechendes UX-Design.
Wofür die Website da ist, lässt sich an der einfachen und klaren Navigation erkennen. Mit den Punkten: "Programm", "Partei" und "Personen" sind alle wichtigen Wahlkampfinhalte direkt zu erreichen. Mehr gibt es auch nicht und das ist auch gut so. Denn wir wissen ja: Viele Optionen führen zu Chaos in der User Journey.
Der Fold (also der sichtbare Bereich, den Nutzer beim Betreten der Seite sehen ohne scrollen zu müssen) ist ebenfalls gut gestaltet. Eine klare Aussage, keine verklausulierten Sätze, ein starkes Bild, das beide Spitzenkandidaten in den Vordergrund stellt und nur ein Call to Action. Einfach aber einprägsam. An der Größe der darunter befindlichen Weißfläche lässt sich ableiten, dass dieser klare Auftritt im sichtbaren Bereich ein wichtiges Ziel bei der Websitegestaltung war. Im Internet hat eine Website nur 2 Sekunden Zeit, um zu überzeugen. Das funktioniert nur mit starken Bildern und klaren Aussagen.
Mobile funktioniert die Seite auch gut, wenngleich zentrale Bestandteile des Wahlkampfes: Programm, Partei und Personen hinter einem Standard Off-Canvas Menü versteckt werden. Da besonders die Grünen eine junge Zielgruppe ansprechen, hätten wir uns hier eine Mobile First Entwicklung gewünscht. Das ist nicht der Fall; der Button "Unterstützen" dominiert den sichtbaren Bereich des mobilen Endgerätes. Das ist unglücklich und geht besser. Die wichtigen Punkte kann man auch aus der Navigation herauslösen und separat im mobilen Fold bespielen.
Auch die Dominanz des Suchfeldes überrascht. Uns ist nicht ganz klar, was Nutzer dort suchen sollen. Wir befinden uns nicht in einem Onlineshop mit 5.000 Artikeln, sondern auf der Seite einer Partei, die zum aktuellen Zeitpunkt nur drei große Themen bespielen und Nutzer positiv von Inhalten und Personen überzeugen sollte. Suchen wir zum Beispiel: "Programm", so lautet der Toptreffer nicht "Wahlprogramm", sondern "Programm - Kommunaler Klimakongress". Das "Wahlprogramm" finden wir auf der ersten Seite der Suchergebnisse nicht. Nicht gut.
Die Inhalte der Startseite wurden zwar für den Wahlkampf etwas angepasst, verfolgen aber nicht vollumfänglich das Ziel, Nutzer von Kandidaten oder Programm zu überzeugen. So befindet sich der Aufruf "Komm ins Wahlkampfteam" über der Vorstellung der Spitzenkandidaten und wird somit automatisch höher priorisiert. 2 Wochen vor der Wahl wirkt das befremdlich. Der Fokus sollte vielmehr auf den Spitzenkandidaten und Inhalten liegen.
Gestalterisch ist der Auftritt der Grünen rund. Es ist grün, es ist clean, es ist einfach. Aber es überrascht auch nichts, es macht nichts wirklich Spaß bei der Bedienung, es passiert nichts. Das Wahlprogramm wird in sehr langen Textwüsten erläutert. Zwar unterteilt in kleine Kapitel, aber nicht wirklich aufbereitet.
Das ist gut. Interessierte Nutzer können sich das Wahlprogramm bequem als Podcast bei Spotify anhören. So erreicht man auch junge Wählerinnen und Wähler.
Keine interaktiven Inhalte, keine Bilder, keine Animationen, keine Illustrationen. Puh, das ist wirklich harte Kost und erklärt, warum viele Menschen Personen und keine Programme wählen. Als junge Partei, die für Digitalisierung und Wandel steht, ist die digitale Aufbereitung des Wahlprogrammes lieblos und langweilig umgesetzt.
Die Botschaft auf der Startseite überrascht schon sehr. Kein Kanzlerkandidat, kein Statement, keine Haltung. Ein Hinweis zur Briefwahl, die man auch rechts über den Button noch bequem beantragen kann. Wählt ein Großteil der Briefwähler die CDU? Wollen wir es für die CDU hoffen.
Im sichtbaren Bereich spielt der Wahlkampf, bis auf den Hinweis zur Briefwahl, keine Rolle. Die Navigation ist einfach, jedoch nicht so zweckgebunden wie bei den Grünen. Unter dem Punkt "Unsere Themen" versteckten sich allgemeine Themen, jedoch nicht explizit das Wahlprogramm. Das muss man suchen und findet es außerhalb vom Fold und auf einer separaten Domain,
Mobile ist die Seite gut bedienbar, allerdings stört der Stick-Button zur Briefwahl das Nutzererlebnis. Wen das nicht interessiert, der hat Pech. Wegklicken kann man den Button nicht. Wichtige Themen werden auf separaten Seiten bespielt. Das ist im Desktop-Bereich schon schwierig, dort öffnet sich immer ein neuer Tab, Mobile wird das zur Herausforderung. Der Nutzer verliert hier schnell den Überblick.
Grundsätzlich fehlt es dem Auftritt an Emotion und Haltung. Auch hier wird nicht überrascht, man freut sich nicht über Animationen oder interaktive Spielereien. Auch die Farb- oder Bildwelt ist wenig spektakulär und eher altbacken als zukunftsweisend. Schade.
Newsbeiträge und weitere Inhaltsblöcke fokussieren auf den Top-Kandidaten und die Top-Themen der Union, verlinken aber oft raus. Das Wahlprogramm, das Expertenteam oder die Deutschland Tour von Armin Laschet werden über separate Themenseiten bespielt, die alle einen anderen Aufbau und ein etwas anderes Design verwenden. Bisher haben wir drei (!) gefunden, vielleicht gibt es aber noch mehr.
Der Nutzer muss sich also bei den zentralen Themen immer wieder auf neue Gegebenheiten und Umstände einstellen. Das erfordert kognitiven Aufwand, den man eigentlich im Netz zu vermeiden versucht. Klar kann man auch argumentieren, dass eine separate Seite das jeweilige Thema besser fokussieren kann, allerdings sollten dann auch alle Seiten die gleiche Sprache (Struktur, Aufbau, Design, Tonalität) sprechen. Das Stückwerk aus verschiedenen Seiten spricht für eine mangelnde Strategie beim Umgang mit der digitalen Parteipräsenz.
Nein, leider nicht. Dafür, dass der Aufruf lautet "Machen wir uns Land moderner", wirkt die Seite des Wahlprogramms nicht sonderlich modern. Die Farbgebung ist eher schlicht, es fehlt an Frische und Zukunftsmusik.
Im Gegensatz zum digitalen Wahlprogramm der Grünen, sind hier alle Themen auf einer Seite untergebracht. Einerseits gut, da Nutzer lieber scrollen als klicken, andererseits ist die Seite wirklich sehr, sehr lang. Eine Strukturierung im Vorfeld könnte das Nutzererlebnis positiv beeinflussen. Die einzelnen Programmprunkte werden jeweils von einem Bild begleitet, leider nicht von wirklich überzeugenden Motiven. Das Thema "Klimaschutz" zeigt eine Erde, bei "Familien" einen roten Kreis und bei Punkt 7 einen großen Emoji. Begeistern tut das nicht. Möchte man tiefer ins Wahlprogramm einsteigen, wird immer auf die PDF-Datei des Wahlprogramms verlinkt. Insbesondere auf dem Smartphone nicht gut.
Für so ein wichtiges Thema, wie dem eigenen Wahlprogramm, hätten wir mehr erwartet. Immerhin ist digital ja der Zielkanal von Wahlwerbung (Plakatwerbung). Die Chance, die eigenen Standpunkte emotional, begeisternd und überzeugend zu kommunizieren, wird nicht genutzt.
Die Website der SPD ist gut. Da gibt es auf den ersten Blick nichts zu meckern. Klarer Fokus auf die bevorstehende Wahl. Einfache und verständliche Struktur, emotionale Gestaltung des Folds. Das ist solide gearbeitet.
Der sichtbare Bereich besteht aus einem prominenten Slider, der die zentralen Themen des Wahlprogramms anteasert. Mit guten Bildern und knackigen Aussagen. Jedes dieser Kernthemen wird dann auf einer separaten Unterseite näher erläutert. Die Unterseiten sind ähnlich aufgebaut, das fördert die Usability. Der Aufbau ist abwechslungsreich und nicht langweilig. Keine langen Textwüsten, Zitate vom Spitzenkandidaten, Videos und Animationen. Detaillierte Informationen gibt es über ein Akkordeon. Das ist gut, da es nur auf Wunsch inhaltliche Tiefe gibt, die nicht für alle Nutzer relevant ist.
Durch eine Filterung kann der Nutzer direkt zu den Themen springen, die ihn interessieren. Jedes Thema hat einen eigenen Einstiegsbereich, der aus den wichtigsten Aussagen und Themen besteht. Die inhaltliche Ebene wird durch emotionale, bildstarke Elemente flankiert. Entscheidet sich der Nutzer für ein Thema und klickt auf eine Kernaussage, springt er zum entsprechenden Punkt im umfangreichen Wahlprogramm.
Dieses ist auch bei der SPD textlastig und lang. Es wird aber durch Zwischenüberschriften aufgelockert und hat eine praktische Kapitelnavigation. So steigert man die Usability und erleichtert den Lesefluss.
Olaf Scholz ist nicht für seine überschwängliche Emotionalität bekannt. Die Website der SPD punktet aber mit einer guten Bildsprache, die einerseits inhaltich überzeugt und andererseits durch ein hohes Maß an Emotionalität punktet. Entscheidungen (auch Kaufentscheidungen) für oder gegen ein Produkt, eine Dienstleistung oder eben einen Spitzenkandidaten werden nicht immer rational getroffen, sondern sind zu einem Großteil auch immer emotional.
Die FDP betreibt eine gute Website mit kleineren Mängeln. Das Design ist modern und abwechslungsreich. Die Bildauswahl emotional und passend. Die Struktur der Website lädt zum Informieren ein ohne zu Überfordern. Der Spitzenkandidat Christian Lindner ist allgegenwärtig. Das ist gut für die Wiedererkennung.
Im mobilen View wird aus dem recht plakativen Desktop-Header ein etwas kleinteiliges Gebilde, wobei Textinhalte nun deutlich an Dominanz gewinnen. Das ist schade, denn auf dem Desktop-Gerät gefällt der Einstieg. Bewegtbilder ziehen immer mehr Aufmerksamkeit als statische Bilder und eignen sich als Eyecatcher um Nutzer auf der Website zu halten.
Auch das Programm zur Bundestagswahl setzt zumindest auf eine Eingangsanimation. Die zentralen Themen sind über eine Teaser-Navigation erreichbar. Schön, dass auch hier gute Bilder verwendet werden. Ebenfalls werden die zentralen Ideen (gut: Nur Fünf!) kurz und knapp erläutert. Zumindest der Einstieg in das Wahlprogramm ist kurzweilig und interessant.
Wo andere Parteien lange Textwüsten einsetzen, schöpft die FDP zumindest Möglichkeiten aus, die im Netz sinnvoll zur Content-Strukturierung verwendet werden können. So hilft eine Tabbar viel Content überschaubar aussehen zu lassen. Mehr Informationen zu den Themen gibt es nur auf Klick. Solche Elemente sind heute der Standard, werden bei den Websites der Parteien nur sehr spärlich, bis gar nicht, eingesetzt.
Auch Themenschwerpunkte werden gut abgearbeitet. So ist auch hier der Einstieg kurzweilig, wichtige Inhalte werden kurz und knackig erläutert. Forderungen werden über eine prominente Box herausgestellt. Eine Content-Navigation fördert das Weiterklicken und Informieren auf der Website.
Update: Nun hat sich doch noch ein großes Popup ins Bild geschoben. Der Fokus hat sich von "Wählen Sie uns" zu "Spenden Sie für uns" geändert. 10 Tage vor der Wahl ist das komisch. Da sollte der Fokus doch lieber auf dem Programm liegen. Zumal man gerade im Verdacht steht, Wahlkampfhilfen in weit größerem Umfang angenommen zu haben, als angegeben. Unglücklich.
Die Website der AfD ist technisch gut und spiegelt das Parteibild wieder. Der Einstieg ist laut und konzentriert sich auf emotionale und plakative Aussagen. Unterhalb des großen Headers befinden sich Videos, Nachrichten oder die Top-Themen.
Das Wahlprogramm ist in einzelne Themen untergliedert, das ist ordentlich und unterstützt die Nutzbarkeit. Die jeweiligen Programmpunkte sind recht kurz gehalten und setzen verstärkt auf das Akkordeon-Element, um viel Inhalt vernünftig zu strukturieren. Beschäftigt man sich aber mit mehreren Themen, so fällt auf, dass auch hier keine wirkliche Content-Experience stattfindet. Im Endeffekt ist es viel Text ohne wirkliche Highlights.
Eines ist aber noch positiv hervorzuheben: Auf der rechten Seite im Wahlprogramm gibt es eine kleine aber gute Navigation zu den weiteren Themen dieses Bereiches. Mobile ist die gute Navigation leider kaum zu finden und rückt recht lieblos einfach ganz nach unten, wobei die Navigation für den mobilen View in der Usability deutlich wichtiger wäre.
In Summe ist es, bis auf die mangelende Content-Experience, ein sauberer Auftritt.
Der Gedanke, einen emotionalen Videoeinstieg im Header der Startseite einzubinden, ist gut. Die Aussage des Videos erschließt sich aber nicht ganz. Menschen sind im Fokus, Themen werden kaum platziert. Es wird viel geredet und gearbeitet, scheinbar.
Fraglich ist die Prominenz der Newsletter-Box im Header. Auf mobilen Endgeräten nimmt die rote Newsletter-Box mehr als 50% des gesamten Bildschirms ein. 10 Tage vor der Wahl würden uns andere Inhalte einfallen, die man dort sinnvollerweise platzieren kann, als die Anmeldung zum Newsletter (was kaum jemand ohne ein Incentive macht). Hier zeigt sich, dass konzeptionell nicht wirklich nachgedacht wurde.
Das gilt leider auch für weitere Inhalte und Funktionen: Das Wahlprogramm besteht aus langen Texten, angeordnet in einem Akkordeon. Auch das 168 (!!) Seiten lange PDF zum Wahlprogramm besteht eigentlich nur aus Text. 168 Seiten. Wer liest denn sowas? Es wird oft moniert, dass Wähler Personen und keine Parteien/Programme wählen. Absolut nachvollziehbar. Hier sollte man dringend an der Content-Aufbereitung und grundsätzlich an Inhalte ran. Stichwort: Snackable-Content. Mach es kurz, mach es informativ und mach es unterhaltsam. Sonst liest das kein Mensch.
Zunächst: Wahlprogramme sind in der inhaltlichen Tiefe und dem angebotenem Umfang (~ 180 Seiten) nicht mehr zeitgemäß. Lesen tut das kaum jemand, inbesondere nicht jüngere Generationen. Es täte allen Parteien gut, das Dokument "Wahlprogramm" einmal zur Debatte zu stellen. Der Umfang dieser Dokumente erklärt auch den Erfolg und die Wichtigkeit des Wahlomaten, denn niemand hat Zeit und Lust, Wahlprogramme Wort für Wort zu konsumieren.
Digital gilt es einfach, klar und emotional zu kommunizieren. Die Herausforderung besteht nicht darin, 168 Seiten zu schreiben, sondern 168 Seiten in 10 kurze aber ausdrucksstarke Bilder zu verwandeln. Am besten machen das, mit Abstrichen, SPD und AfD gut, der Rest leider nicht.
Seltsamerweise haben nicht alle Parteien ihre Websites auf die Wahl und die eigenen Kandidaten/Themen angepasst. Bei den Linken dominiert eine Newsletter-Box, bei der CDU nimmt die Anmeldung zur Briefwahl einen Großteil des sichtbaren Bereichs ein. Verstehen kann man das nicht.
Die SPD konzentriert sich auf Ihrer Website auf das Wesentliche: Die Wahl. Inhalte passen, der Content ist gut aufbereitet, die Technik ist sauber, Bildwelten emotional, der Spitzenkandidat im Fokus. Das Design ist modern und ansprechend.
Die Grünen wirken ebenfalls modern, scheitern aber im Detail. Insbesondere in der mobilen Ansicht und bei der Aufbereitung des Wahlprogramms ist noch viel Luft nach oben.
Die Website der CDU ist nicht gut. Multi-Domain-Handling, fragwürde Nutzbarkeit und langweiliges Design.
Die FDP macht es digital ordentlich. Das war zu erwarten. Hier gibt es wenig zu beanstanden.
Die AfD ist auch auf der Website die AfD. Das ist zumindest stimmig. Große, plakative und laute Aussagen dominieren die Startseite. Die weiteren Seiten und Inhalte sind technisch sauber, jedoch auch langweilig. Wenig Abwechslung in der Vorstellung der Themen.
Die Linke möchte mehr Newsletter-Abonnenten gewinnen. Zumindest ist das eine logische Schlussfolgerung aus den Inhalten im Fold. Der Rest ist wenig überraschend und reiht sich nahtlos in eine uninspirende Content-Experience.